CDU-Ratsfraktion fordert sinnvolle Stadtentwicklung
Ein renommierter Architekt. Eine Präsentation von dessen Architekturvision. Kein Vergleich unterschiedlicher Nutzungsszenarien für die ausgewählten Standorte. Keine Berücksichtigung noch ausstehender Gutachten. Keine Berücksichtigung von Zahlen, Daten, Fakten. Keine Unterlagen zur Machbarkeitsstudie. Keine Berücksichtigung der Expertise des obersten Stadtplaner Dattelns. Keine fundierte Entscheidungsgrundlage.
„Die bestellte Machbarkeitsstudie fehlte. Punkt. Stattdessen hat ein renommierter Architekt seine Vision für die Gestaltung genau eines Standortes vorgestellt. Er scheint ein sehr guter Architekt zu sein, aber diese Qualitäten waren an der Stelle nicht gefordert.“ kritisiert Patrick-Benjamin Bök, Fraktionsvorsitzender der CDU, im Rückblick den Vortrag von Architekt Professor Manuel Thesing. Auf Bitte der CDU hat der Bürgermeister zugesagt und auch schon bestätigt, dass die fehlenden Unterlagen angefordert werden. Bök weiter dazu: „Derartige Unterlagen gehören ganz klar zu einer Machbarkeitsstudie dazu und sollten idealerweise im Vorfeld ausgehändigt werden. Die Methode muss dabei nachvollziehbar sein. Ansonsten kann hier lediglich von einem Zwischenstand die Rede sein, wenn die Studie noch nicht fertiggestellt ist und eben nicht ausgehändigt werden kann.“
André Tost, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der CDU, sieht es jedoch auch auf inhaltlicher Ebene sehr kritisch: „Die CDU steht geschlossen hinter dem „Haus der Familie“, ebenso wie hinter der Schaffung von weiteren Kindergartenplätzen. An dieser Stelle sei nochmal erwähnt, dass wir diese Bedeutung auch mit dem von uns gemeinsam mit den Grünen eingebrachten Antrag zur Jahresmitte 2021, hinsichtlich der Errichtung einer weiteren Kita unterstrichen haben. Der Antrag wurde jedoch im Herbst von der Verwaltung und der politischen Mehrheit inklusive der SPD mangels Notwendigkeit abgelehnt.“
Ein Fehler darf einigen Entscheidungsträgern der Verwaltung und der Politik jedoch nicht passieren: nur von 12 bis mittags zu denken und immer die nächste freie Fläche mit dem nächsten anstehenden Projekt zu belegen.
„Die Flächenressourcen in Datteln sind endlich und wir haben jetzt die Chance die Nutzung einiger zentraler Flächen zu definieren, weshalb genau abgewogen werden sollte, welche weiteren Chancen diese Flächen bieten. Die Chance freie Flächen zu entwickeln hat große Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung der nächsten Jahrzehnte. Deshalb ist es wichtig – man könnte sagen „eine Herzensangelegenheit“ – diese Chance auch bestmöglich zu nutzen.“ sagt André Tost, stellvertretender Vorsitzender im Stadtentwicklungsausschuss, und ergänzt: „Die Prüfung der technischen Machbarkeit sowie der Wirtschaftlichkeit über alle drei Standorte hinweg haben wir deshalb in den Diskussionen bereits seit Beginn des letzten Jahres 2021 wiederholt gefordert und die im November durch die Verwaltung in Auftrag gegebene Studie inklusive klarem Auftrag zur Begutachtung aller drei Flächen nebst Klärung fest definierter Fragen begrüßt.“
Der Auftrag, den diese Studie bearbeiten sollte, war klar: Die Beantwortung diverser Fragen zur technischen Machbarkeit, zu konzeptionellen Festlegungen und zur Projektwirtschaftlichkeit. Für die drei Standorte ehemalige Ringschule, Schwimmbadparkplatz und Freifläche August-Schmidt-Ring standen ähnliche Fragestellungen (9 bis 11 je Standort) zur Bearbeitung. Entsprechend hoch waren die Erwartungen an die Vorstellung der Ergebnisse in der Ratssitzung am 9. Februar 2022. Eine erste Enttäuschung machte sich auch bei vielen politischen Mitaktiven breit, als mit der Sitzungsvorlage kein Standort vorgeschlagen und keine Unterlage zur Studie zur Vorbereitung zur Verfügung gestellt wurde. Nur auf der Basis der Vorstellung durch Prof. Manuel Thesing, der die Ergebnisse seines Büros Thesing & Thesing in der Ratssitzung auf wenigen Folien präsentierte, sollte in der Sitzung ein Beschluss für einen Standort herbeigeführt werden. Bürgermeister André Dora hat Hinweise auf diese Problematik im Vorfeld bereits aufgenommen und dementsprechend zu Beginn des Tagesordnungspunktes dafür Sorge getragen, dass kein Beschluss gefasst werden sollte, wenn die Machbarkeitsstudie einzelnen Ratsmitgliedern nicht genügt.
Im Rahmen der Vorstellung und der anschließenden Diskussion wurde offensichtlich, dass der Großteil der offenen Punkte wie Bodenbelastung, Sanierungsanforderungen, Gewässersituation, verkehrliche Anbindung sowie die Belastung für die Anlieger nicht beantwortet werden konnten. „Wesentlich ist für uns dabei zum einen, dass durch die fehlende Untersuchung, beispielsweise der Grundstücksgegebenheiten, keine zügige bauliche Umsetzung des Hauses der Familie sichergestellt werden kann. Wem hilft eine Entscheidung aus einem Gefühl heraus, wenn beim anschließenden Bau aufgrund von zuvor außer Acht gelassenen Schwierigkeiten auf dem Bauland jahrelange Verzögerungen entstehen? Zum zweiten wurde eine Abwägung der weiteren, optimierten Nutzungsmöglichkeiten, wie beispielsweise stärkerer Wohnbebauung auf dem ehemaligen Gelände der Ringschule, anders als im Auftrag verankert, nicht ausreichend vorgenommen“ führt Tost weiter aus. Darüber hinaus wurden Ziele des Hauses der Familie, wie eine präsente Ansiedelung im Stadtkern, zwar angeführt, aber widersprüchlich argumentiert: Die Fläche am Schwimmbadparkplatz wurde negativ aufgrund der verkehrlichen Situation bewertet. Die Fläche an der direkten Lage zur B235 nicht. Angeführt wurde als Entkopplung zur B235 zwar, dass an der B235 Wohnbebauung entstehen kann und das Haus der Familie zum Mühlenbach hin gebaut werden kann, was sich jedoch dann mit dem Gedanken beißt, dass das Haus der Familie Teil der Innenstadt werden soll. „Ich kann mir schwer vorstellen, dass man Bereiche jenseits der B235 für einen Teil der Innenstadt hält, wenn man morgens zur Kindergarten-Prime-Time an der Südring-Kreuzung den Verkehr kennt.“ ergänzt Tost.
Janine Schmidt, hauptberuflich Leiterin für Stadtplanung und Bauordnung in einer Stadt der Umgebung, bemängelt aus fachlicher Sicht einige Punkte: „Das Thema Nachhaltigkeit ist ausschließlich auf die Gebäudenachnutzung begrenzt worden. Hierbei hat sich der Gutachter nur auf eine wohnähnliche Nachnutzung fokussiert. Die Nachnutzung der weiteren Flächen für Soziales, Büro und Verwaltung wurde nicht einbezogen. Diese wären jedoch im Gegensatz zur Wohnnutzung auch neben dem Sportpark denkbar. Leider wurden diese Aspekte gänzlich außen vorgelassen.“ Fachlich weiteren Unmut äußert Schmidt hinsichtlich der alleinigen Fokussierung auf das Thema KiTa: „Die Aufgabenstellung betraf die Gesamtbetrachtung der Flächen unter spezieller Berücksichtigung des Hauses der Familie als Gesamtkonzept. Als einzigen Ort die ehemalige Ringschule zu wählen, obwohl eine konkurrierende Fläche inmitten von Schulen, Sporthallen und angrenzend an einen Sportpark für Kinder und Jugendliche zur Verfügung steht, erschließt sich nicht. Wir hätten die Möglichkeit ein Haus der Familie dort anzusiedeln, wo sich die Zielgruppe direkt aufhält. Dieses Argument sollte detailliert betrachtet werden und nicht aufgrund der unterstellten verkehrlichen Situation direkt außer Acht gelassen werden. Weiterhin kann fachlich niemand ernsthaft der Argumentation folgen, dass eine präsente Ansiedlung erfolgen soll und dann wird als Standort eine hinter einer Häuserreihe versteckte Fläche vorgeschlagen.“
„Ein weiterer Kritikpunkt ist die Einordnung der Lage der Flächen. Die Fläche des Schwimmbadparkplatzes ordnete der Gutachter quasi als Peripherie bzw. Außenbereich ein. Der Standort Sportpark Mitte ist jedoch – direkt erkennbar – bestens integriert und gut erreichbar.“ ergänzt André Tost. „Mich irritiert es schon sehr, dass man dieser an so vielen Stellen widersprüchlichen Argumentation des Gutachters einfach folgen mag. Es ist doch unsere Aufgabe als Rat genau dort den Finger in die Wunde zu legen und zu hinterfragen. Alles andere bringt doch nichts. Dann kann man den Rat als Organ auch abschaffen.“, hält Bök weiter fest.
Im Detail sind es noch zahlreiche weitere offene Punkte, die durch die - der Presseberichterstattung nach mit 20.000 Euro vergütete - Studie nicht annähernd beantworten konnte. Abschließend mussten wir als CDU-Fraktion am Ende der Diskussion verkünden, dass auf dieser Basis guten Gewissens keine Entscheidung für den vorgeschlagenen Standort des ehemaligen Ringschulen-Geländes getroffen werden kann. Die weitere Diskussion wurde auf einen kurzfristig anzusetzenden, kombinierten Fachausschuss Kinder/Jugend/Familie/Stadtentwicklung vertagt. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die noch fehlenden Unterlagen zur Machbarkeitsstudie ebenso wie die noch offenen Gutachten vorliegen, sodass auch eine nicht anfechtbare Entscheidung getroffen werden kann.
Selbst wenn eine Entscheidung getroffen worden wäre am vergangenen Mittwoch, wäre kein Startschuss möglich gewesen. Denn wie Herr Hinze zu Protokoll gab, fehlen noch beispielsweise die Bodengutachten. Wir hoffen jedoch sehr, dass die nächsten Tage genutzt werden, um endlich die gestellten Anforderungen aus dem Stadtentwicklungsausschuss vom 16. November 2021 zu erfüllen. In diesem Zusammenhang werden wir auch der Frage auf den Grund gehen, warum augenscheinlich nur ein geringer Austausch zwischen Stadtverwaltung und dem Gutachter erfolgte. Die Verwaltung kündigte im November an, eine verwaltungsinterne Fachgruppe zu installieren, die die Machbarkeitsstudie eng begleitet. Dieses Ziel wurde anscheinend ebenfalls nicht erreicht, da niemand in der Verwaltung im Vorfeld etwas zur Präsentation und den Erkenntnissen von Prof. Thesing sagen konnte.
André Tost dazu resümierend: „Im Fazit lässt sich festhalten, dass das Haus der Familie ebenso wie die Fragestellung einer strategischen, nachhaltigen Stadtentwicklung unzureichend angegangen werden. Dies sorgt – in Verbindung mit unserem abgelehnten KiTa-Antrag aus 2021 – für weitere Verzögerungen bei den dringend benötigten Kindergartenplätzen. Nicht außer Acht zu lassen ist die in der Stadtverwaltung bereits vorhandene Expertise hinsichtlich guter Stadtentwicklung. Diese Ressourcen werden aber nicht gut genutzt – eine sachliche Begründung kann ich nicht erkennen.“
Bök zur Kritik der künstlichen Verzögerung der Entscheidung: „In diesem Zusammenhang mögen sicherlich Stimmen aufkommen, die von Verzögerung durch unser Vorgehen sprechen. Das ist jedoch sachlich falsch, da neben der fehlenden Machbarkeitsstudie auch ohne die fehlenden Gutachten, deren Fehlen die Verwaltung im Rat auch betont hat, kein Startschuss durch die Verwaltung erfolgen kann. Es möchte halt in so einer Situation niemand der Nein-Sager sein. In der Sitzung gingen schon die Blicke um, ob wer zuckt und wer als erstes zuckt. Für mich und uns als Fraktion war aber sofort klar: Es ist unsere Aufgabe den Finger in die Wunde zu legen, wenn wir so eine Vorstellung dort sehen und die gestellten Fragen einfach unbeantwortet bleiben. Die Relevanz der Kita-Plätze und unseren dazu schon im letzten Sommer gestellten Antrag hat André Tost bereits unterstrichen.“
Abschließend kündigt Bök an: „Es ergeben sich an dieser Stelle noch weitere Fragen, jedoch weniger zur inhaltlichen Diskussion vom vergangenen Mittwoch als mehr zum Ablauf und dem Vorgehen der Verwaltung an sich in diesem Fall. Diese werden wir jedoch noch mal gesondert an die Verwaltung richten, um parallel auch dort mehr Transparenz zu schaffen, sodass derartige Dinge zukünftig nicht mehr passieren.“
Ergänzende Informationen:
berichtet: https://www.dattelner-morgenpost.de/.../haus-der-familie.../
und kommentiert: https://www.dattelner-morgenpost.de/.../haus-der-familie.../